„Am rechten Ufer der Zschopau, eine halbe Stunde von der Stadt Frankenberg gegen Mittag gelegen, erhebt sich aus den bewaldeten Hügelreihen, welche den Fluß geleiten, ein malerischer Felsen. Jäh steigt er aus den Wellen, die seinen Fuß bespülen, bis zu einer Höhe von hundertfünfzig Fuß empor, während auf der andern Seite sanft ansteigende Waldpfade auf seinen Scheitel führen.“
Quelle: Zeitschrift Gartenlaube im Jahr 1870.
Quelle: wikipedia
Die Sage
Ritter Dietrich von Harras saß im 15. Jahrhundert auf Burg Lichtenwalde. Das gute Einvernehmen mit dem Besitzer der Schellenburg hatte durch irgendwelche Einflüsse Trübung erfahren, und Feindschaft herrschte zwischen beiden. Harras war unbeweibt, und er hatte sich in Luitgard, die schöne Tochter des Schellenbergers verliebt. Alle Versöhnungsversuche blieben umsonst. Die Feindschaft wurde größer.
Eines Tages brachte ein Knappe dem Ritter Götz die Botschaft, dass Harras in wenigen Stunden sich mit seinen Knappen nach der Flöhamündung begeben werde, um dort Besuch zu erwarten. Schnell war der Plan gefasst, den verhassten Gegner dort zu überwältigen. Götz begab sich zur Flöha und verbarg sich mit seinen Rittern im Walde. Groß war die Freude, als Harras arglos heranritt. Schon brachen die feindlichen Reiter aus dem Walde hervor. Harras riss blitzschnell sein Ross herum und sprengte in den Wald hinein, während seine Knappen sich gegen die Feinde wendeten. Bald lagen sie tot oder verwundet am Boden, und die Verfolgung wurde aufgenommen. Schon hörte Harras die Verfolger hinter sich. Da sah er eine lichte Stelle im Walde. Es war der Haustein. Drüben lag seine Burg, tief unter ihm flossen die Wasser der Zschopau, und hinter ihm erschienen die Feinde - nirgends ein Ausweg! Was sollte er tun? In der größten Not empfahl Harras seine Seele Gott, gab seinem sich scheuenden Pferde die Sporen, und hinab ging es in die schaurige Tiefe. Der kühne Sprung gelang. Zwar ertrank das zerschmetterte Ross, aber Harras war unversehrt geblieben. Er schwamm zum anderen Ufer und dankte Gott. Dies sei im Jahre 1449 geschehen. Übrigens soll der Abdruck des Hufeisens eines sich bäumenden Pferdes noch heute im Fels zu sehen sein. Die wunderbare Rettung und die Bitten Luitgards sollen Götz bewogen haben, in eine Aussöhnung einzuwilligen. Beide, Luitgard und Harras, lebten dann lange und glücklich miteinander.
Harras unternahm daraufhin eine Wallfahrt zur Stiftskirche Ebersdorf. Zum Andenken an die glückliche Rettung hinterließ er dort ein silbernes Hufeisen. Sein Sohn Georg II. von Harras soll dieses aber 1529 gegen ein Eisernes getauscht haben.
Die mit der Sage in Zusammenhang gebrachten Personen auf der Schellenburg haben wohl nie existiert. Es ist auch nicht bekannt, dass Dietrich mit einer Luitgard vermählt war.
Eine alte Volkssage erzählt die kühne That dieses Ritters, und noch heut zeigt man bey Lichtewalde im Sächsischen Erzgebirge die Stelle, die man den Harrassprung nennt. Am Ufer steht jetzt zwischen zwey alten ehrwürdigen Eichen, der steilen Felsenwand gegenüber ein Denkmal mit der Inschrift: "Ritter Harras, der kühne Springer."
Noch harrte im heimlichen Dämmerlicht
Die Welt dem Morgen entgegen,
Noch erwachte die Erde vom Schlummer nicht,
Da begann sich’s im Thale zu regen.
Und es klingt herauf wie Stimmengewirr,
Wie flüchtiger Hufschlag und Waffengeklirr,
Und tief aus dem Wald zum Gefechte
Sprengt ein Fähnlein gewappneter Knechte.
Und vorbey mit wildem Ruf fliegt der Troß,
Wie Brausen des Sturms und Gewitter,
Und voran auf feurig schnaubendem Roß,
Der Harras, der muthige Ritter.
Sie jagen, als gält es dem Kampf um die Welt,
Auf heimlichen Wegen durch Flur und Feld,
Den Gegner noch heut zu erreichen,
Und die feindliche Burg zu besteigen.
So stürmen sie fort in des Waldes Nacht
Durch den fröhlich aufglühenden Morgen,
Doch mit ihm ist auch das Verderben erwacht,
Es lauert nicht länger verborgen,
Denn plötzlich bricht aus dem Hinterhalt
Der Feind mit doppelt stärk’rer Gewalt,
Das Hüfthorn ruft furchtbar zum Streite
Die Schwerter entfliegen der Scheide.
Wie der Wald dumpf donnernd wieder erklingt
Von ihren gewaltigen Streichen!
Die Schwerter klingen, der Helmbusch winkt,
Und die schnaubenden Rosse steigen.
Aus tausend Wunden strömt schon das Blut,
Sie achten’s nicht in des Kampfes Gluth,
Und keiner will sich ergeben,
Denn Freiheit gilt’s oder Leben.
Doch dem Häuflein des Ritters wankt endlich die Kraft,
Der Uebermacht muß es erliegen,
Das Schwert hat die Meisten hinweggerafft,
Die Feinde, die mächtigen, siegen.
Unbezwingbar nur, eine Felsenburg,
Kämpft Harras noch, und schlägt sich durch,
Und sein Roß trägt den muthigen Streiter
Durch die Schwerter der feindlichen Reiter.
Und er jagt zurück in des Waldes Nacht,
Jagt irrend durch Flur und Gehäge,
Denn flüchtig hat er des Weges nicht Acht,
Er verfehlt die kundigen Stege.
Da hört er die Feinde hinter sich drein,
Schnell lenkt er tief in den Forst hinein,
Und zwischen den Zweigen wird’s helle
Und er sprengt zu der lichteren Stelle.
Da hält er auf steiler Felsenwand,
Hört unten die Wogen brausen.
Er steht an des Zschopauthals schwindelndem Rand,
Und blickt hinunter mit Grausen.
Aber drüben auf waldigen Bergeshöhn,
Sieht er seine schimmernde Veste stehn.
Sie blickt ihm freundlich entgegen,
Und sein Herz pocht in lauteren Schlägen.
Ihm ist’s, als ob’s ihn hinüberrief,
Doch es fehlen ihm Schwingen und Flügel,
Und der Abgrund, wohl fünfzig Klaftern tief,
Schreckt das Roß, es schäumt in die Zügel;
Und mit Schaudern denkt er’s, und blickt hinab,
Und vor sich und hinter sich sieht er sein Grab;
Er hört, wie von allen Seiten
Ihn die feindlichen Schaaren umreiten.
Noch sinnt er, ob Tod aus Feindes Hand,
Ob Tod er in den Wogen erwähle.
Dann sprengt er vor an die Felsenwand,
Und befiehlt dem Herrn seine Seele,
Und näher schon hört er der Feinde Troß,
Aber scheu vor dem Abgrund bäumt sich sein Roß.
Doch er spornt’s, daß die Fersen bluten,
Und er setzt hinab in die Fluthen.
Und der kühne, gräßliche Sprung gelingt,
Ihn beschützen höh’re Gewalten,
Wenn auch das Roß zerschmettert versinkt,
Der Ritter ist wohl erhalten,
Und er theilt die Wogen mit kräftiger Hand,
Und die Seinen stehn an des Ufers Rand,
Und begrüßen freudig den Schwimmer;
Gott verläßt den Muthigen nimmer.
Karl Theodor Körner